Aktuelles

Drehorgel
als Instrument für aktive musikalische Förderung von Kindern
in Kindergärten/Kindertagesstätten und Grundschulen
Theoretische Überlegungen

Traditionelle Volksmusik steht bei Kindern und Jugendlichen heute nicht mehr hoch im Kurs. Tradierte Lieder gelten oft als nicht mehr zeitgemäß, ja unmodern. Dabei ist unbestritten, dass die musikalische Früherziehung bereits im Kindergarten und in der Grundschule die sprachliche Entwicklung der jungen Menschen fördert, ihr Rhythmusgefühl herausbildet und den sozialen Zusammenhalt als Gruppe stärkt. Der pädagogische Wert überlieferter Musikstücke für die Entwicklung von Kindern ist daher heute unbestritten.

Der immer geringere Stellenwert der Volksmusik lässt sich besonders deutlich in jedem Winter besichtigen. Nur noch eine Minderheit kennt und singt die traditionellen Martins-, Nikolaus-, Advents- oder Weihnachtslieder. Die Kinder, die im Elternhaus, im Kindergarten und in der Grundschule solche Lieder eingeübt haben, sind oft nicht mehr textsicher. Von moderneren und zur Jahreszeit passenden Liedern ganz zu schweigen.

Die Gründe für das Verblassen dieser einschlägigen Volksmusik sind vielfältig. Die ungenügende personelle Ausstattung von Kindergärten und Grundschulen, funktional veränderte Familienstrukturen und nicht zuletzt die Pandemie mit ihrer Verhinderung größerer Gruppenbildungen sind nur einige der Ursachen.

Um diese Defizite anzugehen, bietet die Drehorgel beste Voraussetzungen. Sie ist seit 2018 von der UNESCO in Deutschland als Kulturerbe geadelt. Das Instrument bietet zwar ein mehrstimmiges Klangbild, wirkt aber als überschaubarer Rahmen für die Kinder nahbarer als eine Instrumentalgruppe. Drehorgeln haben sich darüber hinaus seit vielen Jahrzehnten als Begleitung von tradierten Musiktiteln in der Kinder- und Erwachsenenwelt bewährt.

Das Projekt

Nach den Sommerferien (September/Oktober/November) sollen möglichst viele Drehorglerinnen und –orgler in Kindergärten und Grundschulen auftreten. Ziel ist das Einüben einiger Nikolaus- und Weihnachtslieder. Dabei soll auf eine gute Mischung von traditionellen und modernen Musikstücken geachtet werden.

Für diesen Zweck haben die beiden prominentesten Kinderliedermacher, Rolf Zuckowski und Detlev Jöcker, das Copyright für ihre „Superhits“ auf Drehorgeln eingeräumt. Die Zuckowski- und Jöcker-Stücke werden für Drehorgeln arrangiert und den teilnehmenden Drehorgelspieler*innen zur Verfügung gestellt.

Die Drehorgelspieler besuchen mehrmals Kindergärten und/oder Grundschulen in ihrem Wohngebiet. Schulen und Kindergärten werden angefragt, sobald absehbar ist, wie viele Musikanten sich an der Aktion beteiligen werden. Dabei werden die oben erwähnten populären Weihnachtsstücke mit den Kindern eingeübt und mit Drehorgeln unterstützt.

Die Kinder sollen mit zur Verfügung gestellten Rhythmusinstrumenten zum Mitmachen/Mitsingen animiert werden. Auf Nachfrage können sie sich auch an der Drehorgel ausprobieren. Als krönender Abschluss ist die Aufführung der eingeübten Lieder vor Eltern oder in größerem Veranstaltungsrahmen wünschenswert, was für die Kinder eine Art Belohnung oder Anerkennung/Wertschätzung ihrer Bemühungen bedeuten dürfte.

Angesichts verstärkter Zuwanderung nach Deutschland wie zuletzt durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein zentraler Mehrwert dieses Projekts die Förderung des Miteinanders von Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Kulturkreisen. Gemeinsames Singen und Musizieren schafft „Seelenverwandtschaft“ und trägt damit zur leichteren sozialen und kulturellen Integration bei.

Schließlich ist auf den Aspekt „Stärkung des generationsübergreifenden Zusammenhalts“ hinzuweisen: Die meist älteren Drehorgelspieler kommunizieren auf einer Ebene mit jungen Menschen. „Die Kleinen lernen die Lieder, die sie später auch noch mögen werden. Und die Großen erinnern sich an die Zeit, wo sie mal klein waren“, sagte der Kinderliedermachen Rolf Zuckowski Ende letzten Jahres der Deutschen Presse-Agentur dpa: „Dieses Stück Familie und Kontinuität der Generationen, dieses Weitergeben finde ich gerade beim Singen auch was ganz Starkes.“

Die Organisation

Der Club Deutscher Drehorgelfreunde e.V (https://drehorgelclub.de/) ist der Projektträger. Es handelt sich um den mitgliederstärksten einschlägigen Verband, dessen Vorstandsvorsitzender Wilhelm Reimann (vorsitzender@drehorgelclub.de) für den CDD in diesem Projekt auftritt. Der Club-Vorstand hat die Konzeptualisierung, Planung und Durchführung des Vorhabens dem Unterzeichner dieser Projektskizze übertragen. Der CDD sieht in den Plänen auch die Chance, Drehorgelmusik wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und jüngere Menschen für diese Art von Musik zu interessieren.

Konzept und Kontakt:

Dr. Thomas Brey

Mail:        doc-hurdy-gurdy@brey-thomas.de

Web:       www.doc-hurdy-gurdy.de

Tel.:         0162-3226502


WALDKIRCH. (WOS)

Dezember 2022

Das Orgelarchiv der Waldkircher Orgelstiftung vergrößert sich

Als am 16. April 2022 verstarb Herbert Jüttemann. Er hinterließ ein umfangreiches Facharchiv. Herbert Jüttemann, geb. am 21. Januar 1930, war promovierter Ingenieur und Technikhistoriker. Er beforschte Mühlen sowie Sägewerke und war Spezialist für historische mechanische Werke. Seine Fachbücher gelten als Referenz und Standardwerke über die Fachwelt hinaus.

„Alles, was rund ist und sich dreht, hatte ihn interessiert. Ob nun Wasser- bzw. Mühlräder, Sägen, Flötenuhren oder eben die Drehorgeln. Herbert hat seine Leidenschaft für mechanische Werke beim Wandern im Schwarzwald entdeckt“, berichtet seine Ehefrau Erna Jüttemann. Und so entstanden auch im Bereich der mechanischen Musikinstrumente zahlreiche Forschungen und Publikationen. Nach seinem Tod wandte sich Erna Jüttemann an die Waldkircher Orgelstiftung und fragte wegen des Verbleibs seines Archivs an.

Diese Anfrage wurde natürlich aufgegriffen und am 14. November 2022 machten sich Helmut Hummel, Leo Ganter, Wolfgang Brommer und Bernd Wintermantel von der Waldkircher Orgelstiftung mit zwei Autos auf den Weg nach Karlsruhe, um das wertvolle Orgelarchiv über die Musikautomaten von Herbert Jüttemann nach Waldkirch zu bringen.

Das Waldkircher Abholteam hat vor Ort alles fotografiert und beschriftet, bevor die vielen Ordner verpackt wurden. Auch die dazu gehörenden Aktenschränke wurden verladen und alle Archivalien nach Waldkirch transportiert. Hier konnte dann alles wieder genau so aufgebaut werden, wie Dr. Jüttemann es systematisiert hatte.

Im Orgelarchiv der Waldkircher Orgelstiftung befinden sich bereits – neben vielen Einzeldokumenten und der großen Orgelfachbücherei – das gewaltige Orgelarchiv von Bernd Sulzmann, der mehr als 1100 Standorte von Kirchenorgeln im südwestdeutschen Raum archivarisch erforscht hat. Ebenso in Waldkirch sind Teile des Karl Bormann-Archivs und auch die kompletten Archivalien der Orgelsachverständigen Hans Nadler und Heinrich Trötschel vorhanden.

Damit das Archiv nach heutigen Maßstäben weiterhin gut nutzbar bleibt, sollte es jetzt systematisch erfasst und digitalisiert werden, so wie Klaus Person dies in mehrjähriger verdienstvoller Arbeit mit dem Sulzmann-Archiv getan hat. Da derzeit die personellen Möglichkeiten dafür fehlen, möchte die Waldkircher Orgelstiftung mit der Universität Freiburg ein Forschungsprojekt initiieren.

Herbert Jüttemann hat sich in seinen Veröffentlichungen sehr intensiv mit Waldkircher Instrumenten befasst und es insbesondere verstanden, Technikabläufe sichtbar zu machen. In seiner Leidenschaft für „alles, was rund ist und sich dreht“ betrieb er vielfältige Studien, versehen mit technischen Zeichnungen, und konnte regelrechte Nachschlagewerke publizieren. Seine Bücher umfassen verschiedene Werke über mechanische Musikinstrumente, speziell auch über die Waldkircher Dreh- und Jahrmarktorgeln, über Schwarzwald- und Flötenuhren, aber auch über die schon erwähnten Wasserräder, Mühlen und Sägen.

Zu seinen Lebzeiten war Herbert Jüttemann für die Orgelstiftung immer wieder ein gefragter Fachmann gewesen. Wenn z.B. eine Orgel nicht signiert war, gab er seine Expertise dazu, er hatte einen Blick für die Instrumente und verfügte über beeindruckende Erfahrungen. Sein gesammeltes Wissen aus 50 Jahren Forschung ist jetzt in Waldkirch zugänglich und erweitert den Bestand des Orgelarchivs der Waldkircher Orgelstiftung im Bereich der weltlichen Instrumente.

Für die Waldkircher Orgelwelt stellt sein Archiv eine überaus wertvolle Ergänzung dar und fundamentiert weiter die Wertigkeit des Orgelarchivs. Waldkirch ist weltweit der einzige Ort, in dem seit 1799 bis heute Kirchenorgeln, Dreh- und Jahrmarktorgeln sowie Orchestrien kontinuierlich gebaut wurden und werden. Die Waldkircher Orgelstiftung entwickelt sich immer mehr zum Zentrum der Orgelbaugeschichte und bewahrt so das Wissen und handwerkliche Können für kommende Generationen.

Veröffentlichungen von Herbert Jüttemann zu mechanischen Musikinstrumenten:

  • Schwarzwälder Flötenuhren. Waldkirch 1991.
  • Figurenuhren aus dem Schwarzwald. Waldkirch 1998.
  • Waldkirch Street- and Fairground Organs. Rufforth, York (England) 2002. Übersetzt von Andrew Pilmer.
  • Orchestrien aus dem Schwarzwald. Bergkirchen 2004.
  • Figuren-Drehorgeln von Ignaz Bruder und seinen Nachkommen. Waldkirch 2005.
  • Ignaz Blasius Bruder – Schwarzwälder Drehorgelbau seit 1806. Karlsruhe 2006.
  • Waldkircher Dreh- und Jahrmarkt-Orgeln. 2. Aufl., Lahr 2007. (1. Aufl. 1993).
  • Mechanische Musikinstrumente. 2. Aufl., Köln 2010. (1. Aufl., Frankfurt 1987).
  • Phonographen und Grammophone. 4. Aufl., Dessau-Roßlau 2008. (1. Aufl. 1979).
  • Die Schwarzwalduhr. 5., völlig neu bearbeitete Aufl., Königswinter 2018.